Jahrgangsbericht Saar 2024 – Ein Jahr der Extreme, ein Wein der Balance
Das Weinjahr 2024 an der Saar wird als eines der extremsten der jüngeren Geschichte in Erinnerung bleiben – und doch ist es ein Jahrgang, der in seiner Stilistik begeistert und an große Klassiker erinnert. Was zunächst wie ein Totalschaden wirkte, entwickelte sich überraschend zu einem außergewöhnlich spannenden Jahrgang mit großer Finesse und Tiefe.
Frostkatastrophe im April – 80 % der Ernte verloren
In der Nacht vom 22. auf den 23. April 2024 traf ein Jahrhundertfrost die Region mit voller Härte. Innerhalb weniger Stunden wurden weite Teile der Saarweinberge empfindlich geschädigt. Besonders betroffen waren die Lagen in Ockfen, Ayl, Wiltingen sowie Teile des sogenannten „Tälchens“. Der Schaden war so massiv, dass die Hektarerträge auf historische Tiefststände zwischen 750 und 2.000 Litern pro Hektar fielen – Mengen, wie man sie zuletzt um das Jahr 1900 gesehen hat.
Pfingstflut verschärft die Situation
Kaum war der Schock des Frostes verdaut, traf die Region über Pfingsten eine zweite Naturgewalt: Eine Jahrhundertflut, deren Pegelstände über den bisherigen Rekorden aus 1993 lagen, setzte Teile der Infrastruktur unter Wasser. Weinorte wie Wiltingen waren halb überflutet, in Schoden drohte der Damm zu brechen und das Dorf komplett zu überfluten. Saarburg war weiträumig überflutet, die Leuk, ein kleiner Bach der durch die malerische Altstadt in den berühmten Wasserfall fließt, trat in der Innenstadt über die Ufer - sowas gab es noch nie! Doch trotz der enormen Herausforderungen bewiesen die Winzer der Saar außergewöhnlichen Einsatz, Geduld und Fingerspitzengefühl – der Lohn dafür zeigt sich nun im Glas.
Kleinste Ernte seit dem Zweiten Weltkrieg – und doch ein großer Jahrgang
2024 markiert die kleinste Saar-Ernte seit dem Zweiten Weltkrieg. Doch die verbliebenen Trauben profitierten von einer exzellenten Wasserversorgung durch die Flutereignisse, die – gepaart mit deutlich gestiegenen Reifetemperaturen – zu einem erstaunlich vollmundigen, extraktreichen Jahrgang führten, ohne dass die Weine schwer wirken.
Warum es trotz allem ein guter Jahrgang wurde
Die Antwort liegt im Zusammenspiel aus Wasserversorgung und klimatischer Entwicklung: Die großen Wassermengen trafen auf ein erwärmtes Reifeklima, das heute im Schnitt 1 °C höher liegt als vor 25 Jahren und sogar 2,4 °C höher als vor 150 Jahren. Das ermöglichte eine gleichmäßige Reife mit extrem niedrigeren Alkoholgehalten (-1 bis -1,5 Vol.% im Vergleich zu den Vorjahren), intensiver Aromatik und beeindruckender Frische. Die Alkoholgehalte sind daher historisch niedrig. Komplett trockene Weine unter 11% vol. waren so keine Seltenheit! Echte Cool Climate Weine eben!
Ein Jahrgang im Stil der Klassiker
Der Jahrgang 2024 erinnert in Stilistik und Ausdruck an die klassischen Jahrgänge 2021, 2016 und 2008: Kühle Frucht, feingliedrige Säure, animierende Leichtigkeit und gleichzeitige Tiefe machen diese Weine zu eleganten Botschaftern der Saar.
Fazit: 2024 steht für einen der kleinsten, aber charaktervollsten Jahrgänge der letzten Jahrzehnte. Ein Jahr, das eindrucksvoll beweist: Große Weine entstehen oft unter den widrigsten Bedingungen.
An dieser Stelle vielen Dank an Florian Lauer vom Weingut Peter Lauer für seinen ausgezeichneten Jahrgangsbericht, dessen Erkenntnisse Grundlage für diesen Artikel waren. Florian macht sich jedes Jahr die Arbeit und analysiert die Parameter des Jahrgangs in Manier eines Universitätsprofessors, schafft es aber dabei, die Ergebnisse allgemeinverständlich darzustellen und somit auch für den Laien nachvollziehbar zu machen. Das hilft enorm dabei den Jahrgang im Kontext der letzten Jahre einzuordnen und so die Gründe für die Jahrgangsstilistik zu verstehen. Vielen Dank Florian!